Sykomorenfeige

Ficus sycomorus L. - - nh.t

aktualisiert am: 07.06.2009

 

Die Sykomorenfeige (auch Maulbeerfeigenbaum* oder Eselsfeige) [1] ist ein in Afrika weit verbreiteter Baum, sowie einer der wichtigsten Obstbäume und Holzlieferanten im Alten Ägypten.
 

Sycomore im Karnak-Tempel, Nähe Ptah-Tempel
eigene Fotos

Die Sykomore kommt heute nur als Kulturbaum vor. Die zur Bestäubung notwendige Gallwespe Ceratosolen arabicus Mayr wurde bisher für Ägypten nicht nachgewiesen. Eine bereits für pharaonische Zeiten in Sykomoren nachgewiesene Gallwespenart Sycophaga sycomori L. kann alleine [2] keine Bestäubung durchführen. Die Vermehrung des Baumes findet heute, und fand wohl schon zu altägyptischen Zeiten, durch von Menschen gezogene Stecklinge statt. Diese Stecklingsvermehrung in feuchter Erde ist relativ einfach.

Zur Zeit ist noch ungeklärt, ob aufgrund von Klimaveränderungen am Ende des Pleistozän oder dem Beginn des Holozän das Niltal wärmer war und die Gallwespe Ceratosolen arabicus Mayr damals in Ägypten lebte. Dann wäre es möglich, dass wildwachsende Sykomoren in Ägypten anzutreffen waren. Eventuell wurde die Sykomore aber auch bewusst in Ägypten angesiedelt. Renate Germer () geht davon aus, dass die Sykomore ursprünglich nicht in Ägypten heimisch war. Sykomorenfunde im Grab des Ani (in Gebelein) aus der 12. Dynastie zeigten die Frucht mit der Gallwespe Sycophaga sycomori besiedelt, so dass zu dieser Zeit die Sykomore bereits eine Kulturpflanze war [3]. Bekannt ist die Sykomore für das Alte Ägypten bereits ab der Vorgeschichte.
Die Sykomore hat einen weißen, kurzen aber kräftigen Stamm und dünne Brettwurzeln. Sie kann bis zu 15 oder 20 m hoch werden. Ihre Laubkrone erreicht einen Durchmesser von 5 m. Man findet sie heute vereinzelt oder in kleinen Gruppen, meist auf Dorfplätzen oder an Brunnen [4].
Die Sykomore ist im sonnigen Ägypten gern gesehener Schattenspender der bis zu sechs Ernten im Jahr ermöglicht.
Die Frucht der Sykomore wird nicht nur als Nahrungsmittel genutzt sondern findet auch in altägyptischen medizinischen Rezepten Erwähnung. Der Milchsaft des Baumes wurde zur Wundbehandlung verwendet.

Bereits aus pharaonischen Zeiten ist eine Beschleunigung des Reifeprozesses der Frucht durch einen Einschnitt vor der Ernte belegt. Der Einschnitt erfolgt vor der vollendeten Entwicklung der Gallwespen in der Frucht. Diese muss dann wenige Tage nach dem Einschnitt geerntet werden.

siehe obere Feigenreihe
Karnak; Hypostyl - Nordwand Relief Sethos I.

Während die Frucht in Funden aus Prädynastischer Zeit nur selten auftaucht, ist sie ab der 1. Dynastie recht gut bezeugt. Sie gehört zu den häufigsten vegetabilischen Grabbeigaben überhaupt. Auch auf Grab- und Tempelreliefs ist sie zu finden. Dort erkennt man die Sykomorenfeige oft an ihrem charakteristischen halbkreisförmigen Mal.
Ob es sich hierbei um den künstlichen Einschnitt zur Reifung der Frucht handelt, oder vielleicht eher um den an der nebenstehenden Frucht zu erkennenden halbkreisförmigen Rückzug der äußersten Fruchthaut, bleibt unklar.

eigenes Foto

Abdel Ghaffar Shedid: Das Grab des Sennedjem,
Mainz 1994 Abb. 106

Frederic Norden: Voyage d'Egypte et de Nubie I, Kopenhagen 1755, pl. XXXVIII

Ein Charakteristikum des Baumes ist das Zusammensitzen mehrerer Früchte an einem Stiel des Stammes oder den Ästen, wie es auf der Zeichnung aus dem Grab des Sennedjem (TT 1, 19. Dynastie) und auch der Zeichnung von Frederic Norden aus dem Jahre 1755, oder dem eigenen Foto ganz oben rechts, zu sehen ist.
 

Die Sykomore in der Religion

Im Glauben der Alten Ägypter spielte die Sykomore eine wichtige Rolle. Sie war Symbol und Sitz verschiedener Himmelsgöttinen. So wurde seit dem Alten Reich in Memphis eine Hathor "Herrin der südlichen Sykomore" verehrt.  Im frühen Neuen Reich taucht verstärkt Nut [5] als Sykomorengöttin auf, die dem Toten Wasser und Nahrung - aber auch Schatten -  spendet. Nach Wilkinson (S. 161-162) assoziierten die Ägypter Nut eventuell mit der Sykomore, da sie über ihre Funktion als Herrin/Beschützerin des Sarges mit Holz und damit mit der Sykomore gleichgesetzt werden konnte. Der Verstorbene betet zu ihr um Wasser und Luft (TB 59). So untersteht der Verstorbene nicht nur dem Schutz der im Baum innewohnenden Göttin, ob Hathor, Nut oder Isis, sondern wird von jenen auch versorgt. So säugt Isis, als Sykomore zum Beispiel Thutmosis III. in einer Pfeilerdarstellung in dessen Grab KV 34.

Die Sykomore ist ein Ruheplatz der Seelenvögel.

Ab der 2. Hälfte der 18. Dynastie taucht in dieser Schutz- und Versorgungssituation auch die Dattelpalme anstelle der Sykomore auf.

Stele des Niajj - Kestner-Museum, Hannover Inv.-Nr. 2933
Emma Brunner-Traut, Osiris, Kreuz und Halbmond.
Mainz 1984, S. 124, Nr. 99

Nach altägyptischen Himmelsvorstellungen stehen zwei Sykomoren aus Türkis rechts und links des Horizonttores im Osten, dort wo tagtäglich die Sonne erscheint (siehe nebenstehendes Foto). So ist sie mit Atum, dem Herrn der Sykomore in den Sonnenlauf eingebunden.
Im TB 109 versichert der Tote die beiden Sykomoren aus Türkis zu kennen, zwischen denen Re hervorkommt. Nach Pyr. 1433b berührt der Tote die beiden Sykomoren, die auf jeder Seite des Himmels sind. Pyr. 916b erwähnt eine östliche Sykomore die sich zum Toten hinunterbeugt und auf der die Götter sitzen. In der Vorstellung (Pyr. 1485a-b) schützt sie den Gott und die Götter der Unterwelt stehen unter ihr.

So heißt es: "So war die Sykomore mit den göttlichen Mächten und der Hoffnung auf eine regelmäßige, ewig währende Erneuerung an der Seite der Götter verbunden.
Als Welten- und Lebensbaum ragt die Sykomore mitten in einem Urgewässer Nun gleichzusetzenden See auf, stützt den Himmel und garantiert damit den Erhalt der Schöpfung.
" [6]

Verschiedene Darstellungen zeigen den mumifizierten Osiris unter dem Schutz einer Sykomore, zumeist jedoch einer Akazie - immer jedoch eines Laubbaumes. Dieser ist Symbol des alljährlichen Vegetationszyklus - somit auch der Wiedererstehung.

Abdel Ghaffar Shedid: Das Grab des Sennedjem,
Mainz 1994 Abb. 96

 

* Theophrast, ein griechischer Philosoph und Naturforscher (* um 371 v. Chr. zu Eresos auf der Insel Lesbos, † 287 v. Chr.? in Athen) schreibt zur Sykomore folgendes (IV. Buch, II. Kapitel - Sprengel, Bd. 1 S. 132f): "In Aegypten giebt es mehrere eigenthümliche Bäume: die Sykomorus, die sogenannte Persea, die Balanos, die Akantha, und verschiedene andere. Die Sykomorus kommt einigermaßen mit dem dortigen Maulbeerbaum überein. Denn das Blatt ist ähnlich, auch die Größe und das ganze äußere Ansehen. Aber die Frucht ist eigenthümlich, wie zu Anfang gesagt worden. Denn sie kommt nicht aus den Trieben oder an der Spitze der Zweige, sondern aus dem Stamm hervor. An Größe gleicht sie der Feige, auch an Gestalt; aber an Geschmack und Süßigkeit der Winterfeige; doch ist sie noch viel süßer, ist ganz ohne Kerne, und kommt viel häufiger vor. Sie kann nicht reifen, wenn sie nicht oberflächlich geschabt wird; man schabt sie aber mit eisernen Nägeln, und, die man soe behandelt hat, werden in vier Tagen reif. Werden diese abgenommen, so wachsen wieder andere und andere aus derselben Stelle, ohne sich zu ändern. Dies soll, nach einigen, drey-, nach Anderen mehrmals geschehen. Der Baum ist sehr reich an Milchsaft und das Holz zu vielen Dingen brauchbar. Es scheint vor anderen Hölzern den eigenthümlichen Vorzug zu haben, daß man es noch grün geschnitten in Gruben und Teiche wirft, um es so vor Fäulniß zu bewahren; dann sinkt es sogleich zu Boden, und, nachdem es in der Tiefe eingeweicht worden, so trocknet es aus, und, wenn es hinreichend trocken geworden, so tritt es in die Höhe uns schwimmt oben auf. Dann scheint es vollkommen vor der Verwesung geschützt zu seyn; denn es wird leicht und locker. Diese Eigenthümlichkeiten nun hat die Sykomorus."

1 neben der Sykomorenfeige gibt es in Ägypten noch die Essfeige (echte Feige - Ficus carica L.). Die moderne arabische Bezeichnung der Sykomore lautet gimmêz (nach Manniche, p. 103)

2 J. Galil, R. Dulberger, D. Rosen: The Effects of Sycophaga sycomori L. on the Structure and Development of the Syconia in Ficus sycomorus L.; New Phytologist 69,1 - 1969, p. 103 - 111; DIGITAL OBJECT IDENTIFIER (DOI): 10.1111/j.1469-8137.1970.tb04054.x

3 Germer (Flora) beschreibt die Besiedlung mit den Gallwespen als entweder die Eine oder die Andere. Nach Rosen muss dies nicht der Fall sein.

4  >>Anch<< S. 8

5 siehe die Abbildung Nr. 106 aus dem Grab des Sennedjem

6 >>Anch<< S. 41 mit Verweis auf Edmund Hermsen: Lebensbaumsymbolik im Alten Ägypten, Köln 1981

 
Literatur:

Ingrid Gamer-Wallert: Baum, heiliger, in: LÄ I Sp. 655-660

Renate Germer: Sykomore, in: LÄ VI Sp. 113-114
Renate Germer: Flora des pharaonischen Ägypten, Mainz 1985 (S. 25-26)
Renate Germer: Die Heilpflanzen der Ägypter, Düsseldorf - Zürich 2002 (S. 86ff)

Lise Manniche: An Ancient Egyptian Herbal, Austin 1989

Sylvia Schoske, Barbara Kreißl, Renate Germer: >>Anch<< Blumen für das Leben. Pflanzen im alten Ägypten, München 1992

K. Sprengel: Theophrasts Naturgeschichte der Gewächse. Übersetzt und erläutert von K. Sprengel. 2 Bde. Altona 1822, Neuauflage Darmstadt 1971

Richard H. Wilkinson: Die Welt der Götter im Alten Ägypten. Glaube - Macht - Mythologie, Stuttgart 2003

 

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